Gustav Weißkopf – ein deutsch-amerikanischer Pionier des Motorflugs

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Gustav Weißkopf (rechts) mit Tochter Rose 1901 neben seinem Flugzeug Nr. 21 © Wikipedia

Gustav Albin Weißkopf wurde am 1. Januar 1874 im mittelfränkischen Leuterhausen bei Ansbach geboren. Er war der Sohn von Babette und Karl Weißkopf, der als Brückenbauer bei der Bahn arbeitete. Schon als Kind zeigte er großes Interesse für die Technik im Allgemeinen und die Luftfahrt im Speziellen.

Über seine frühen Jahre ist nicht viel bekannt: Seine Eltern starben als er 13 Jahre alt war. Daraufhin kam er zu Verwandten nach Ansbach. Er war vorübergehend Lehrling bei einem Buchbinder und einem Schlosser, landete dann jedoch in Hamburg auf einem Segelschiff und war wohl einige Jahre als Seemann unterwegs. 

Anschließend hielt er sich in Brasilien auf, wo er nach eigenen Angaben Segelflugzeuge baute und flog. 

Ab 1894 war er nachweislich in den USA und amerikanisierte dort seinen Namen zu „Gustave Whitehead“. In Boston arbeitete er als Assistent des Harvard-Professors William Pickering. Hier traf er James Means, der 1895 die „Boston Aeronautical Society“ gründete. Means wollte Fluggleiter nach dem Vorbild des deutschen Liftfahrtpioniers Otto Lilienthal bauen. Weißkopf wurde engagiert, da er behauptete, Lilienthal zu kennen und sogar mit ihm gearbeitet zu haben. Wie vieles in seinem Lebenslauf lässt sich auch das nicht belegen. 

1897 lebte er in New York, wo er eigene Fluggleiter baute und diese erfolgreich der Öffentlichkeit und der Presse vorführte. Wenige Wochen später heiratete er und gab in seinem Trauschein als Beruf „Aeronaut“ an. Er zog nach Pittsburgh, wo es bereits 1899 zu einem ersten Flug mit einem Dampfmotorgleiter gekommen sein soll, der aber an einer Hauswand endete.

 

Der erste motorisierte Flug

1900 zog er nach Bridgeport, wo er sein Fluggerät Nr. 21, genannt „Condor“, entwickelte. Er entwarf und baute sowohl das Flugzeug als auch die Motoren selbst. Der „Condor“ verfügte über zwei Propeller, die von einem 20 PS-Motor angetrieben wurden, und über ein Fahrwerk mit einem zusätzlichen 10 PS-Motor zur Startbeschleunigung. Damit konnte die Nr. 21 bei hochgeklappten Flügeln auch auf der Straße fahren.

Und so kam es in den frühen Morgenstunden des 14. August 1901 zum ersten motorgetrieben Flug der Geschichte – wenn man einem Reporter der lokalen Wochenzeitung „Bridgeport Sunday Herald“ glauben möchte. Um kein Aufsehen zu erregen, wurde die „Nr. 21“ um Mitternacht von Weißkopf und seinen beiden Mitarbeitern auf die Straße gerollt. Dann fuhr sie aus eigener Kraft zum Testgelände, einer großen Wiese, so berichtete der Reporter (möglicherweise „Herald“-Chefredakteur Richard Howell). Dort wurde zunächst ein unbemannter Testflug mit zwei Sandsäcken als Gewicht anstelle des Piloten durchgeführt. Ein Zeitschalter sorgte dafür, dass die Motoren nach kurzer Zeit ausgingen. Die Maschine glitt wieder zu Boden. Kurze Zeit später stieg Weißkopf selbst mit der Nr. 21 auf, die damit zum ersten echten Flugzeug der Geschichte wird. Bis auf eine Höhe von etwa 15 Meter trug ihn sein "Condor", angetrieben durch von ihm selbst gebaute Motoren. Nach einer halben Meile (800 m) landete er sein Luftfahrzeug sanft und unbeschädigt. An diesem Tag unternahm er angeblich vier Flüge, der weiteste reichte über eine Strecke von eineinhalb Meilen (2,4 km). Dieses Ereignis war erstmals in einem Artikel des Brigeport Sunday Herald am 16. August 1901 zu lesen. Bis zum Jahresende 1901 sind wohl weltweit 274 Zeitungsberichte über Gustav Weißkopfs ersten Motorflug verfasst worden.

Am 10.Oktober 1927 verstarb Weißkopf im Alter von 53 Jahren an einem Herzinfarkt in Bridgeport im Bundesstaat Conneticut in den USA.

 

Skeptiker wird es immer geben

Bis heute ist Weißkopfs erster Motorflug vom 14. August 1901 jedoch umstritten. Weißkopfs langjährige Beschäftigung mit Flugmaschinen und der Bau von funktionstüchtigen Flugmotoren sind evident. Problematisch ist allerdings, dass kein Beweisfoto dieses ersten Motorflugs existiert. Der Reporter vom „Bridgeport Sunday Herald“ soll ein Foto des Fluges gemacht haben, das jedoch extrem unscharf war und als verschollen gilt. Erhalten geblieben ist dagegen eine Lithographie, die mit dem Zeitungsgbericht abgedruckt wurde. Dass es kein Foto des Fluges gibt, ist ein Hauptargument der Weißkopf-Gegner. Allerdings war es damals bei den Zeitungen üblich, Lithographien nach Fotos zu gestalten und diese abzudrucken. Das war erheblich einfacher und günstiger. Zudem war um 1900 die Bildqualität von Fotos oft noch sehr schlecht, besonders bei solchen Schnappschüssen. Sowohl wegen der Schwierigkeit, ein sich schnell bewegendes Objekt zum Sonnenaufgang mit der damaligen Foto-Technik abzulichten, als auch wegen der hohen Satzkosten, war es 1901 nicht üblich, ein Foto zu veröffentlichen. Sogar moderne Kameras würden sich damit schwer tun, ein scharfes Foto eines sich schnell bewegenden Objekts bei Sonnenaufgang zu knipsen. Der Sonnenaufgang wurde für Erstflüge bevorzugt, weil zu diesem Zeitpunkt der Wind am schwächsten ist. Am 16. August 1901 erschien der Artkel über Weißkopfs Mototrflug in der Sonntagsausgabe des "New York Herald". Im Bridgeport Sunday Herald erschien am 18. August 1901 eine besonders ausführliche Schilderung des gelungenen Fluges. Die nationale und auch die internationale Anerkennung blieb allerdings aus. Dies war wohl überwiegend auf das persönliche Verhalten Weißkopfs zurückzuführen. Er war durchaus ein hochbegabter Techniker, alle Umstände deuten aber darauf hin, dass er kein guter Geschäftsmann war. Er hatte seinen Flug nicht groß angekündigt, im Gegenteil, er wollte die Versuche still und von der Öffentlichkeit weitgehend abgeschirmt starten. Er hatte Angst vor schreckhaften Nachbarn und vor der Polizei. Schon als er noch in Pittsburgh lebte und viele Versuche mit Dampfmaschinen und Explosionsmotoren durchführte, hatte er ständig Ärger mit den Nachbarn. Diese waren durch seine nächtliche Experimentierlust ziemlich verängstigt, denn immer wieder gab es Explosionen, die sogar Fensterscheiben zerbrechen ließen. Als dann im Mai 1899 beim ersten Flugversuch das mit einer Dampfmaschine angetriebene Flugzeug in ein dreistöckiges Wohnhaus krachte, war es mit der Geduld der Nachbarn vorbei; sie holten die Polizei und Weißkopf wurde aus Pittsburgh ausgewiesen.

In Bridgeport hatte er natürlich auch wieder Bedenken wegen der Nachbarn. Deshalb fanden die Flugvorbereitungen nachts und der Flug selbst dann in der Morgendämmerung statt. Dies wiederum hatte zur Folge, dass der anwesende Reporter des "Bridgeport Sunday Herald" kein scharfes Fotos machen konnte. Aber für die Anerkennung wäre ein Foto notwendig gewesen, das eindeutig die Maschine im Flug gezeigt hätte. Die Zeugenaussagen reichten damals als Beweis nicht aus.

Dagegen gibt es eindeutige Fotobeweise, die belegen, dass am 17. Dezember 1903 die Gebrüder Orville und Wilbur Wright zum ersten Mal mit dem „Wright Flyer“ in Kitty Hawk, im Bundestaat North Carolina. Sie galten lange als Erfinder der motorisierter Flugzeuge.

Fakt ist also, dass sich nicht völlig zweifelsfrei beweisen lässt, dass Weißkopfs Motorflug vom 14. August 1901 tatsächlich stattgefunden hat, oblgeich er zu den Pionieren des Luftfahrtzeitalters gehört. Alle Indizien sprechen jedoch dafür, dass nicht die Gebrüder Wright, sondern der Franke Gustav Weißkopf den ersten Motorflug in der Geschichte unternahm!